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Bis zu 200 Nachrichten pro Tag – Schon Grundschüler sind gestresst von Smartphones – Workshop zur Prävention

Dezember 8th, 2017

Astheimer

Medienkompetenz Kelsterbach Astheimer KTS

Kelsterbach (mki). Eine Woche lang die blauen Häkchen und damit die Lesebestätigung der WhatsApp-Nachrichten auf ihrem Smartphone ausschalten: Diese Hausaufgabe hatte die Klasse 4d der Karl-Treutel-Schule bekommen. Einige nutzten die Aufgabe, um ihr Handy sogar mal einen Tag gar nicht in die Hand zu nehmen: „Am nächsten Tag hatte ich 200 Nachrichten auf dem Handy“, berichtete ein Schüler von den vielen empfangenen Smileys und Kettenbriefen. „Das nervt, vieles lese ich dann gar nicht.“ Andere Schüler gaben zu, dass sie von dem ständigen Aufblinken und Bimmeln des Handys abgelenkt oder sogar gestresst seien.

In die nunmehr zweite Runde ging das Projekt „Sicher am Handy und im Internet“ zur Stress- und Suchtprävention. Bereits im letzten Jahr hatte es an den beiden Grundschulen – der Bürgermeister-Hardt-Schule (BHS) und Karl-TreutelSchule (KTS) – Workshops zum Thema gegeben.

„Das ist in diesem Alter leider schon relevant – da kommen nämlich die Ersten mit Tablet und Spielkonsole, später auch mit dem Handy in Berührung“, sagte Jörg Astheimer, der zusammen mit Lehrerin Andrea Specht das Medienkompetenz-Programm an den beiden Grundschulen entwickelte.„Ab der dritten Klasse fängt es mit den Handys an – Handy meint heute nicht mehr Tastenhandys, sondern internetfähiges Smartphones“, so Astheimer, der feststellte, dass schon über die Hälfte der Schüler in der vierten Klasse ein eigenes Smartphone besitzt. Während der letzten Workshop-Stunde in der Klasse 4d der KTS wurden unter anderem Themen wie die Nachrichtenfunktion auf WhatsApp sowie die unbeaufsichtigte Nutzung vom Videodienst YouTube behandelt.

Längst nutzen die Kinder das Smartphone nicht mehr zum Telefonieren, sondern schauen sich vor allem Videos an und spielen Spiele. „Die Kinder nennen es ‚Suchten‘“, berichtete Astheimer. Dabei spielen sie mehrere Stunden am Tag ein Spiel oder sind anderweitig im Internet und am Handy unterwegs – und das zum Teil auch nachts. Eine Umfrage in den Klassen ergab, dass 80 Prozent der Kinder ihre Smartphones mit ins Bett nehmen. Astheimer appelliert an die Eltern, den Umgang mit den Smartphones zu kontrollieren: „In der Nacht sollte es auf jeden Fall weg, auch muss man für den Tag begrenzte Zeiten vereinbaren.“ Einige der Kinder berichteten auch von Spielen ab 18 Jahren, die ihnen durch Freunde und Verwandte zugänglich gemacht werden. „Die Spiele mit Altersbeschränkung haben einen Grund: Sie zeichnen sich durch ihre Brutalität aus, es wird geschossen und Leute getötet“, erklärte Astheimer, der die Kinder davor schützen möchte.

Welchen Risiken sich die Kinder am Smartphone aussetzten, wurde auch beim Thema Online-Spiele deutlich. Dabei können die Kinder mit einem selbst gestalteten Avatar mit anderen Spielern agieren und sogar chatten. „Einige haben damit schon Erfahrungen gemacht und wurden zum Teil sogar von Fremden angeschrieben“, so Astheimer. Der Experte gab zu bedenken, dass sich nicht nur andere Kinder in den Online-Spielen aufhalten. „Dabei sollte man gleich die Eltern um Hilfe rufen und ihnen alles zeigen, wenn einem etwas komisch vorkommt.“ Um solche Dinge festzuhalten, zeigte Astheimer, wie man einen Screenshot vom Bildschirm anfertigt. Außerdem gab er den Tipp, dass die Kinder im Internet nie ihren richtigen Namen angeben, sondern nur Spitz- und Fantasienamen nutzen sollen. Auch sollten die Kinder auf keinen Fall ein Bild von sich verwenden.

Vom Handy-Projekt, finanziert durch die Krankenkasse BKK-VBU, ist auch Klassenlehrerin Verena Dietz begeistert: „Vieles, was Herr Astheimer den Kindern vermittelt, habe ich selbst nicht gewusst“, so Dietz. „Im Unterricht dürfen die Kinder ihr Handy eigentlich nicht dabei haben. Wenn es doch mal klingelt, wird es eingesammelt.“ „Wieso brauchen wir eigentlich schon ein Smartphone“, fragte eine Viertklässlerin. Auf diese Frage fand Jörg Astheimer keine Antwort – denn eigentlich braucht man in diesem Alter noch keines. „Kinder vermissen es nicht, wenn sie kein Handy haben“, so Astheimer.

Am heutigen Donnerstag, 30. November, finden zwei Elternabende zum Thema in der Aula der KTS statt. Für Eltern der 4. Klassen geht es um 18.30 Uhr los. Im Anschluss um 20 Uhr sind Eltern der Klassen 1 und 2 eingeladen.

Text und Foto: Kriewitz, Freitagsazeiger, 30.11.2017, S. 15

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