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Jörg Astheimer antwortet auf Elternfragen

April 28th, 2021

Astheimer

Medienkompetenz Kelsterbach Astheimer KTS

Im September habe ich ein Interview mit Rüdiger Koslowski vom Freitagsanzeiger geführt, der dabei Fragen aus Elternsicht gestellt hat. Im Folgenden finden Sie die wichtigen Fragen und Antworten zur Medienerziehung.

1 Worauf sollten Eltern beim Umgang ihrer Kinder mit digitalen Medien achten?

An erster Stelle steht natürlich die Vorbildfunktion. Kinder übernehmen bei der Mediennutzung eigentlich die Verhaltensweisen, die ihnen ihre Eltern vorleben. Als Eltern sollte man vor allem darauf achten und die eigene eine Mediennutzung hinterfragen.

Zweitens: Eltern sollten außerdem frühzeitig mit der Medienerziehung beginnen, sich erkundigen, welche Inhalte und welche Zeiten ab welchem Alter in Frage kommen. Idealerweise orientieren Sie und Ihre Kinder sich an Familien-Regeln für die Mediennutzung. Denn gelten Regeln für alle Familien-Mitglieder, so sind diese für Kinder viel leichter zu reflektieren. Mir ist dabei sehr bewusst, dass es nicht immer einfach ist, Kindern Grenzen zu setzen. Eine Medienerziehung durch Eltern setzt dies jedoch voraus. Drittens: Ebenso ist es wichtig, dass sich Eltern, mit dem was ihre Kinder nutzen, beschäftigen und in jedem Alter als Ansprechpartner für die Kinder zur Verfügung stehen. Ein vertrauensvolles Verhältnis hilft Kindern sehr, wenn es darum geht, mit Problemen, die sich Online ergeben, zurechtzukommen.

Werfen Sie in dieser Hinsicht gerne auch einen Blick auf die Empfehlungen zum Umgang mit TV und Games, die Sie hier finden.

2 Worauf sollten Kinder beim Umgang digitalen Medien achten?

Kinder nutzen ab einem bestimmten Alter Smartphones, Tablets und Spielekonsolen selbstständig. In den Workshops greifen wir besonders das auf, worauf Kinder achten können. So gilt es, ein Gefühl dafür zu bekommen, was ihnen an realen Erfahrungen gut tut (Zeiten mit Familie, Freunden, Sport, usw.). Sie sollten lernen, welche Umgangsweisen bei der Online-Kommunikation gefragt sind („Chattiquette“), reflektieren, was für Sie und andere privat bleiben sollte. Sie müssen außerdem darauf vorbereitet sein, wie sie sich oder andere in Online-Situationen schützen – etwa wenn jemand gemobbt, bedroht oder belästigt wird.

Denn: Die Online-Risiken können Sie als Eltern nicht verhindern. Aber Sie können Ihr Kind so vorbereiten, dass es weiß, wie es sich selbst schützen kann und wen es zur Hilfe holen kann. 

Stark und selbstbewusst im richtigen Leben zu sein, ist dabei ein klarer Vorteil. Es ist traurig zu sehen, dass es Kinder gibt, die im Klassenverband soziale Schwierigkeiten haben, und dann auch bei dem Versuch scheitern, diese online zu kompensieren. Medienkompetenz setzt meines Erachtens soziale und kognitive Kompetenzen voraus, die im direkten Miteinander gefragt sind. Nur mit diesen gelingt es Kindern und Jugendlichen mit dramatischen Online-Problemen wie Cyber-Mobbing, Hass-Rede (Hate-Speech) oder Fake-News umzugehen. Und auch für den alltäglichen Umgang mit Instagram- und Tik-Tok-Vorbildern sowie Influencern sind sie besser vorbereitet.

3 Wie viel Zeit sollten Grundschüler mit elektronischen Medien maximal verbringen?

Ich halte eine Stunde Bildschirmzeit bei Grundschülerinnen in der dritten und vierten Klasse für ausreichend.

4 Wie können Eltern ihren Kindern vermitteln, dass zu viel Zeit nicht gut ist?

Ein Vorschlag den vielen machen ist der, dass man breiter denkt und alles Wichtige fürs Leben Vorne anstellt. Wenn man den Tag zuerst mit allem wichtigen füllt – Lernen, Sport, Bewegung, Essen, Familie, Freunde, etc. – spricht nichts dagegen, die dann noch verfügbare Zeit auch mit der Nutzung von Medien zu verbringen. Damit hätten Eltern einen Maßstab, an dem sie und ihre Kinder sich gut orientieren können. Der Rest ist Erziehung – und auch die Medienerziehung fordert viel von Eltern ab. Auch hier noch Mal das Thema Vorbild: Es gibt viele Kinder, die sich wünschen, dass Ihre Eltern mehr Zeit für Sie hätten und weniger von Medien abgelenkt sind. Kinder zitieren immer wieder gerne den Radio-Spruch „Kopf hoch, das Handy kann warten“. Wer Kindern vorlebt, dass das reale Gegenüber wichtiger als eine Push-Mitteilung ist, kann damit rechnen, dass der Nachwuchs einen gesunden Umgang mit Medien entwickelt. Wer sich Zeit für seine Kinder nimmt, gibt ihnen die Aufmerksamkeit, die sie ansonsten versuchen medial zu erhalten.

5 Wie erkennen Eltern, dass Kinder suchtgefährdet sind?

Immer dann, wenn Kinder die wichtigen Aspekte des Lebens – auf die ich Oben eingegangen bin – massiv vernachlässigen, sollten sich Eltern sich Gedanken machen. D.h. wenn Schule, Essen, Schlafen, Freundschaften komplett gegenüber der Mediennutzung in den Hintergrund treten.

6 Dürfen Eltern den Chatverlauf oder die aufgerufenen Seiten ihrer Kinder im Netz überprüfen?

Es gibt die Fürsorgepflicht der Eltern, aber auch ein Recht auf Privatheit der Kinder. Aus gutem Grund – denn eine gesunde Entwicklung setzt auch Freiräume voraus. Jeder muss für sich entscheiden, auch abhängig vom Alter der Kinder, wie er beide Aspekte gewährleisten kann. Kinder brauchen Vertrauen, Eltern die Ihnen zuhören und bei Online-Problemen helfen können statt ihren Nachwuchs zu bestrafen. Wenn man sich Seiten-, Chatverläufe oder Social-Media-Kanäle der Kinder anschaut ist es sicher angebracht, dass der Nachwuchs darüber Bescheid weiß, wie man ihn kontrolliert. Auf Eltern kann generell viel zukommen: Spiele mit Chats, in denen sich Erwachsene tummeln, Kinder und Jugendliche die Tanzvideos auf TikTok und YouTube online stellen, Nachbarhäuser in denen Spiele ab 18 (GTA, Call of Duty u.a.) gespielt werden, Challenges mit selbstverletzendem Verhalten oder der wechselseitige Austausch von Nacktbildern (Sexting).

Wie bereits erwähnt: Als Eltern muss man sich mit den erwähnten Risiken auseinandersetzen und immer mit den Kindern im Gespräch bleiben.

In Kelsterbach arbeite ich momentan mit Grundschulkindern. Hier würde ich mir wünschen, dass Eltern sich an der Empfehlung orientieren, nur altersgerechte Apps Kindern zu überlassen.

Bei Suchmaschinen gibt es immer die Empfehlung, sicherere Kinderbrowser wie Blinde Kuh oder Frag Finn zu verwenden, die jedoch nicht stark verbreitet sind. Außerdem gab es lange Zeit sogenannte White-Listen mit Websites, die für Kinder unbedenklich sind. Das alles bietet geschützte Surfräume, die man als Eltern eigentlich nicht überprüfen müsste. Das setzt auch voraus, dass sich Kinder nicht frei im Appstore oder Playstore bedienen können.

7 WhatsApp ist erst ab 13 Jahre erlaubt. Viele Kinder haben es früher. Was hältst Du davon?

9 von 10 Kindern mit Smartphone haben auch WhatsApp – egal in welchem Alter. Vor 2-3 Jahren gab es in den Grundschulen noch Whatsapp-Klassengruppen in denen dann die Mehrzahl der SchülerInnen einer Klasse vernetzt war. Hier gab es viele soziale Konflikte, da den meisten Kindern Chatregeln fremd waren. Gab es eine/n, welche/r permanent Kettennachrichten, Emojis oder Sticker in die Runde warf, konnte damit die ganze Klasse in Aufregung versetzt werden. Kinder haben aus Provokation Freunde blockiert, gemeldet oder einfach zu Gruppen mit Fremden hinzugefügt. Das Problem ist nicht der Messenger WhatsApp, sondern die Praktiken der Kinder, die von vielen Eltern geduldet wurden. Wir haben das damals u.a. an der KTS und der BHS mit den Kindern reflektiert und auch mit Ihnen die hohen Nachrichtenzahlen in der WhatsApp-Statistik angeschaut. Mittlerweile ist das Thema in der Grundschule weniger dramatisch geworden. Das hat vor allem damit zu tun, dass bei Kindern und Eltern die Einsicht da ist, dass vor allem Klassenchats und andere Gruppen-Chats zu viel Unruhe, Aufregung und Konflikten führen.

Gegen einen Messenger-Nutzung unter 13 Jahren spricht generell nichts. Ich würde Eltern aber Messenger wie bspw. Threema oder Signal empfehlen, die mehr Wert auf Datenschutz legen. Von größeren Chatgruppen unter der Regie von Kindern würde ich absehen. Und außerdem sollten Eltern ihren Kindern unbedingt Chatregeln erklären. Dazu gehört natürlich auch, dass keine Bilder oder Texte dort rein gestellt werden, die andere Personen oder Gruppen verletzen.

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